Die Familie Brueg(h)el als Regime-Kritiker ?

Genau zu Lebzeiten Pieter Bruegels des Älteren (+1569) setzte die Habsburgische Unterdrückung Flanderns ein und bestimmte auch noch das Leben und das persönliche Umfeld von Pieter Brueghel dem Jüngeren (+1637/38).

Viele Künstler mussten fliehen. Wer zurückblieb, hatte oft wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die Unruhen im Land kein gutes Klima boten für den
Verkauf von Kunstwerken und anderen teuren Gütern.

Wie in allen Krisenzeiten waren in den meisten Bereichen soziale Verwerfungen zu sehen. Als kritische Beobachter ihrer Zeit mussten sich Künstler in Acht nehmen. Pieter Bruegel der Ältere war in einer besonders heiklen Situation. Seine Kunst wurde von höchsten Würdenträgern gesammelt. Im Kontakt mit diesen Sammlern musste er aufpassen, dass er nicht in Ungnade fiel. Dennoch drückte er mit vielen doppeldeutigen Anspielungen in seinen Bildern seine kritische Sicht auf die Zeit aus, ohne sich jedoch angreifbar zu machen. Gleichgesinnte verstanden die Botschaften und tauschten sich darüber aus. Als Besitzer derartig verschlüsselter Werke waren auch sie weniger in Gefahr. Doch führte Pieter Brueghel der Jüngere diese Strategie weiter? Brueghel der Rebell? Oder waren seine Interessen mehr finanzieller Natur?

05 | Große Fische fressen die kleinen Fische, 1557
Pieter Bruegel d. Ä. (1525 –1569, Inventor)
Pieter van der Heyden (1530 –1572, Stecher)

Kupferstich
Blattmaß 22,9 x 29,8 cm

Rechts unten: COCK · EXCV · 1557
Links unten: Hieronijmus · Bos · inuentor
GRANDIBVS EXIGVI SVNT PISCES PISCIBVS ESCA ·
Siet sone dit hebbe ick zeer langhe gheweten / dat die groote vissen de cleÿne eten

Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. PvdHeyden WB 3.14

Übersetzung:
Kleine Fische sind die Nahrung der großen Fische.
Siehe Sohn, seit langer Zeit weiß ich,
dass die großen Fische die kleinen fressen.


Im Vordergrund sieht man einen Vater und seinen Sohn in einem Boot sitzen. Der Vater weist den Jungen auf das Treiben im Hintergrund mit dem Wort ECCE (Siehe) hin. Dort liegt ein überdimensional großer Fisch am Ufer, aus dessen Maul eine ungeheure Menge an kleinen Fischen fällt. Ein Mann schlitzt den Bauch des Fisches auf, es fallen noch mehr Fische heraus: die großen Fische fressen die kleinen Fische oder die Mächtigen und Reichen leben auf Kosten der Armen.

12 | Das Gleichnis vom Guten Hirten, um 1600
Pieter Brueghel d. J. (1564/1565–1637/38), Werkstatt

Eichenholz
Durchmesser 16,7 cm

Herzog Anton Ulrich-Museum, Gemäldegalerie, Inv. Nr. GG 766

Auch der jüngere Brueghel schuf eine Darstellung des guten Hirten. Anders als sein Vater beschränkt er sich auf eine Illustration von Johannes 10, 12, wonach der gute Hirte seine Herde vor dem Wolf unter Einsatz des eigenen Lebens schützt.

In der Bibel wird diese Szene nicht politisch gedeutet, sondern bezieht sich ganz auf Jesus und Gott. Eine Deutung der Szene als politische Allegorie ist möglich, aber nicht zwingend notwendig.

13 | Der Schafstall Christi, 1565
Pieter Bruegel d. Ä. (1526/1530–1569, Inventor)
Philips Galle (1537–1612, Stecher)

Kupferstich
Blattmaß 24,3 x 31,0 cm
Unten links: BRVEGEL · IN · VEN
Unten in der Mitte: Th. Galle exc.
Auf dem unteren Bildstreifen: HIC TVTO STABVLATE VIRI, SVCCEDITE TECTIS;// ME PASTORE OVIVM, IANA LAXA PATET./ QVID LATERA, AVT CVLMEN PERRVMPITIS? ISTA LVPORVM / ATQVE FVRVM LEX EST, QVOS MEA CALVA FVGIT · HAD · IVN

Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. PGalle AB 3.112

Übersetzung: Stellt eure Herde hier sicher unter, ihr Menschen, kommt unter mein Dach; denn ich bin der Hirte, die Tür ist allezeit offen. Warum brecht ihr durch die Wände und durchs Dach? Das ist die Art der Wölfe und Diebe, die meine Schafherde meidet. Had[rianus] Iun[ius].

Jesus trägt ein Schaf beschützend auf seinen Schultern, während sich weitere hilfesuchend um ihn scharen, da das Haus von zahlreichen Dieben attackiert wird. Links im Hintergrund sieht man den guten Hirten, der seine Schafe vor dem Wolf beschützt, rechts lässt der schlechte Hirte seine Schafe im Stich, um sein eigenes Leben zu retten. Auch hier ist eine politische Deutung des Blattes möglich: ähnlich wie der schlechte Hirte sah die Regentin Margarethe von Parma tatenlos zu, als der Herzog von Alba brutal gegen die Aufständischen vorging.

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